Fall 16 – Die abgelaufene Gewerbeerlaubnis

Den Sachverhalt zum Fall finden Sie in der Ausgabe 11/2019 der Zeitschrift

DVP – Fachzeitschrift für die öffentliche Verwaltung

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Vertiefungshinweise

  • OVG Münster, Beschluss vom 4.7.2014 – 2 B 508/14 in: DVP 2015, S. 349 f. (Nutzungsuntersagung wegen beseitigungsgleicher Wirkung für einen Gewerbebetrieb)
  • OVG Lüneburg, Beschluss vom 9.6.2015 – LA 98/13 in: DVP 2017, S. 86 f. (Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit)
  • Vahle, Jürgen, Grundfälle im Gewerberecht, DVP 2004, S. 331 ff.
  • Weidemann, Holger, Neu: Zentrales Bewachungsregister, DVP 2019, Seite II
  • Haurand, Günter/ Vahle, Jürgen, Grundbegriffe und Übungsfälle zum Gewerbe- und Gaststättenrecht, DVP 2019, S.92 ff.

Aufgabenstellung 1

Datum

2. 03.2013
21. 04.2013
23. 04.2013
16. 06.2013
Januar 2019
24.01.2019
27.1.2019
9.02.2019

Maßnahme/Aktion

Antragstellung
Erlaubniserstellung
Bescheid/Aufgabe zur Post
Eingang Bescheinigung
Anzeige in der Zeitung
Vermerk
Anhörungsschreiben
Stellungnahme

Lösungsskizze

I. Arbeitszielbestimmung
Schließung Gewerbebetrieb

II. Rechtmäßigkeit
1. Rechtsgrundlage
Art. 20 Abs. 3 GG (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit;
Vorrang und Vorbehalt)
Ermächtigungsgrundlage: § 15 Abs. 2 GewO

2. Formelle Rechtmäßigkeit
2.1 Zuständigkeit
Sachliche Zuständigkeit: § 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, S. 1. Abs. 1 Anl. Zu § 1 Ziff. 1
Örtliche Zuständigkeit: § 3 Abs. 1 VwVfG (a.A. vertretbar)
2.2 Verfahren
Anhörung notwendig? +
(§§ 28 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 2, 35 S. 1 VwVfG; Art. 14 Abs. 1 [eingerichteter
und ausgeübter Gewerbebetrieb] und ggfs. 2 Abs. 1 GG; § 28 Abs. 2 und 3
VwVfG)
Anhörungsverfahren ordnungsgemäß? +
Nennung der Maßnahme, der wesentlichen Tatsachsen und Einräumung
einer angemessenen Frist; nicht erforderlich: Nennung der
Rechtsgrundlagen
2.3 Zwischenergebnis
VA = insoweit rechtmäßig

3. Materielle Rechtmäßigkeit
II.1 Tatbestand
● Ausübung Gewerbe +
(Definition erforderlich)
● Erlaubnispflichtigkeit
§ 34a Abs. 1 S. 1 GewO +
(Bewachung Gebäude: aktive Obhutspflicht, Schutzfunktion;
gewerbsmäßig)
● Ohne erforderliche Erlaubnis
Ja, wenn Erlaubnis Wirksamkeit eingebüßt hat.
Grundvoraussetzung: Erlaubnis war überhaupt wirksam

§ 43 Abs. 1 VwVfG, 41 Abs. 2 VwVfG [Bekanntgabe; hier: 26.4.2013 –
äußere Wirksamkeit]; innere Wirksamkeit mit Bedingungseintritt [§§ 43
Abs. 1 S. 2; 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG]

§ 43 Abs.2 VwVfG [Verlust Wirksamkeit]; hier durch Zeitablauf 2018
[Befristung § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG]

Andere Beurteilung dann, wenn Befristung unwirksam ist im Sinne von
§§ 43 Abs. 3 und 44 VwVfG

War Befristung rechtswidrig; ja, wenn keine Rechtsgrundlage für die
Beifügung vorhanden ist.
§ 34a Abs. 1 GewO scheidet aus, weil nur Auflage erfasst wird
§ 36 Abs. 1 VwVfG möglich, wenn die Befristung zur Ausräumung von
Versagungsgründen im Sinne von § 34a Abs. 1 S. 2 GewO dient.
Hier nicht gegeben.
Befristung = rechtswidrig

Keine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 VwVfG
Keine Nicht-Nichtigkeit nach § 44 Abs. 3 VwVfG
Keine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG (keine besonders
schwerwiegender Fehler)

Zwischenergebnis:
Befristung ist zwar rechtswidrig; aber wirksam
Damit hat Erlaubnis Wirksamkeit eingebüßt
Damit ist TB der EGL erfüllt und K. betreibt das Gewerbe ohne
die erforderliche Erlaubnis

II.2 Rechtsfolge
Die EGL sieht Ermessen vor
Ermessenausübung richtet sich nach § 40 VwVfG

Zweck: wird beachtet

Grenzen: Fordert Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
● Geeignetheit +
● Erforderlichkeit +
(Bußgeld nicht geeignet)
● Angemessenheit
Interessenabwägung erforderlich

Private Interessen

– K. verdient Lebensunterhalt mit der Gewerbeausübung
– Gewerbeausübung erfolgte ohne Beanstandung
– Rechtswidrige Befristung begründet Verlust der Wirksamkeit

Öffentliche Interessen

– Beachtung Gleichheitsgrundsatz
– Beachtung der Rechtsordnung (keine rechtmäßige
Gewerbeausübung ohne Erlaubnis)
– Schutz des gesetzestreuen Bürgers

Abwägung

Privaten Interessen überwiegen

Zwischenergebnis:

Die Schließung kann nicht ermessensgerecht angeordnet werden.

II.3 Zwischenergebnis
Die Schießungsanordnung kann nicht materiell rechtmäßig angeordnet
werden.

III. Entscheidungsvorschlag

1. Von einer Schließungsanordnung wird abgesehen
2. Herr K. ist über diese Entscheidung zu informieren. Zudem ist er aufzufordern,
den notwendigen Genehmigungsantrag zu stellen

Aufgabenstellung 2

Fertigung des Rechtsgutachtens

  1. Arbeitsziel

Es ist zu untersuchen, ob die Stadt Hannover gegenüber Herrn Katschke die Schließung des Gewerbebetriebes (Bewachungsgewerbe) anordnen kann.

  1. Rechtmäßigkeit

Die geplante Untersagungsanordnung ist dann rechtmäßig, wenn sie dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit entspricht (Art. 20 Abs. 3 GG). Sie darf in formeller und materieller Hinsicht nicht an Rechtsmängeln leiden (Vorrang des Gesetzes). Da aus Sicht von Herrn Katschke, der Adressat der beabsichtigten Maßnahme sein wird, ein eingreifender Verwaltungsakt erlassen werden soll, benötigt die Stadt für ihr Handeln eine Ermächtigungsgrundlage (Vorbehalt des Gesetzes).1

2.1 Ermächtigungsgrundlage

Rechtsgrundlage für die Schließungsanordnung ist § 15 Abs. 2 S. 1 Gewerbeordnung (GewO).

Formelle Rechtmäßigkeit

Der Verwaltungsakt ist formell rechtmäßig, wenn er hinsichtlich der Zuständigkeit, des Verfahrens und/oder der Form keine Rechtsmängel aufweist.

2.1.1 Zuständigkeit2

Die Stadt Delmenhorst ist nach § 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, Abs. 1 ZustVO-Wirtschaft iVm mit Ziff. 1 der Anlage zu § 1 Abs. 1; § 15 Abs. 2 NKomVG sachlich und nach § 100 Abs. 1 S. 2 Nds. Gesetz über öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds SOG) örtlich zuständig.3

cZum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vgl. nur Zimmerling, VR 1993, S. 257 ff.; Wehr, JuS 1997, S. 231 ff. und S. 419 ff.. Ennuschat, JuS 1998, S. 905 ff.; ferner Maurer, Hartmut, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl., § 6 Rdnr.6 ff.

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2Hinweis:
In Niedersachsen bestimmt sich die Zuständigkeit nach der Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO-Wirtschaft). In anderen Bundesländern mag es andere Zuständigkeitsregelungen geben; dies hindert aber nicht daran, den Fall zu bearbeiten. Es sind keine grundlegend anderen Ergebnisse zu erwarten. 

3Vertretbar ist es auch, die örtliche Zuständigkeit über § 3 Abs. 1 VwVfG zu begründen.
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2.1.2 Verfahren

Nach § 28 Abs. 1 VwVfG4 ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, ein Anhörungsverfahren durchzuführen, sofern nicht eine Ausnahme (Abs. 2 oder 3) greift. Die geplante Schließungsanordnung ist ersichtlich ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG. Dieser Verwaltungsakt soll an Herr Katschke gerichtet werden. Er ist damit nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG Beteiligter. Ein Eingriff in seine Rechte liegt ebenfalls vor, da seine bisherige Rechtsstellung zu seinem Nachteil verändert wird.5 Der beabsichtigte Verwaltungsakt greift zumindest in die Gewerbefreiheit (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Beteiligten Katschke ein.6

Ausnahmen nach § 28 Abs. 2 oder 3 VwVfG sind nicht ersichtlich. Damit ist hier ein Anhörungsverfahren durchzufahren.

Die Stadt Hannover hat mit Schreiben vom 24.1.2019 auch Katschke beteiligt. Im Hinblick auf die Kritik von Katschke ist nun zu klären, ob mit diesem Schreiben bereits ein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren durchgeführt worden ist. Das Anhörungsverfahren entspricht den Anforderungen des § 28 Abs. 1 VwVfG, wenn der Beteiligte zunächst über die für die beabsichtigte Entscheidung erheblichen Tatsachen informiert worden ist. Dies ist geschehen, denn er wurden darüber informiert, dass er im Hinblick auf den Zeitablauf das Bewachungsgewerbe ohne die erforderliche Erlaubnis ausübt. Zudem muss ihm die beabsichtigte Maßnahme mitgeteilt werden. Ihm muss aufgrund der Anhörung klar sein, was die Behörde beabsichtigt und wozu er sich äußern kann.7 Die ist der Fall. Ausdrücklich würde eine Schließungsanordnung angekündigt. Nicht gefordert wird dagegen, dass bereits im Anhörungsverfahren alle maßgeblichen Rechtsgrundlagen genannt werden.8 Ferner ist Katschke eine angemessen Äußerungsfrist einzuräumen. Es ist ausreichend, wenn Katschke eine Äußerungsfrist von ca. drei Wochen eingeräumt wird.

Damit liegt ein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren vor.

2.1.3 Zwischenergebnis

Der beabsichtigte Verwaltungsakt ist insoweit formell rechtmäßig.

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4 Das VwVfG das Bundes findet nach § 1 Abs. 1 NVwVfG grundsätzlich auch in Niedersachsen​ ​Anwendung; Einzelheiten zu den Wechselbeziehungen zwischen bundesrechtlichen und landesrechtlichen Regelungen siehe Weidemann, Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) Kommentar in: Praxis der Kommunalverwaltung Nds, Loseblattsammlung , Einf. Ziff 1 ff; § 1 Rdnr. 1 ff; ferner Brandt, S. 164 ff in Brandt/Schinkel (Hrsg.), Staats- und Verfassungsrecht für Niedersachsen, Baden-Baden 2002

5 Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz 6. Aufl. § 28 Rn. 26.; siehe auch Vahle, DVP 2004, S.197 [190 f]. Das Bundesverwaltungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von der Veränderung eines Status quo in einen Status quo minus wird [BVerwGE 66, 184]

6 Vertretbar wäre es bei diesem Fall auch, auf Art. 14 GG – Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – zurückzugreifen.

7 Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 28 Rdnr. 34

8 wohl befürwortend Stelkens, Bonk, Sachs a.a.O., Rdnr. 38; ablehnend Suckow/Weidemann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., S.69

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2.2 Materielle Rechtmäßigkeit

2.2.1 Tatbestand

Der geplante Verwaltungsakt wäre materiell rechtmäßig, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorlägen und die Behörde die richtige Rechtsfolge ziehen würde.9

Zunächst muss Katschke ein Gewerbe ausüben. Das ist der Fall, wenn er eine erlaubte Tätigkeit, selbständig, auf Dauer und mit Gewinnerzielungsabsicht ausübt. Da das Bewachungsgewerbe ausdrücklich im § 34a GewO genannt wird, übt Katschke eine grundsätzlich erlaubte Tätigkeit aus. Sie ist auch dauerhaft angelegt, da der Betrieb bereits über fünf Jahre besteht und auch weiterhin betrieben werden soll. Da durch die fortgesetzte, gleichartige Betätigung Einkünfte erzielt werden, die über den Einsatz eigener Aufwendungen deutlich hinausgehen, denn Katschke bestreitet aus den Erlösen des Betriebes seinen Lebensunterhalt, liegt zudem die Gewinnerzielungsabsicht vor.  Auch übt Katschke die Tätigkeit selbstständig aus, da er als Eigner der Firma das wirtschaftliche Risiko selbst trägt und regelmäßig frei von Weisungen Dritter tätig wird. Da das Bewachungsgewerbe ferner weder der Urproduktion, noch den sog. freien Berufen zuzuordnen ist und auch keine Verwaltung eigenen Vermögens darstellt, liegen alle Voraussetzungen für die Einordnung der Tätigkeit als Gewerbe vor. Katschke übt damit ein Gewerbe aus.

Weiter muss die Ausübung des Gewerbes erlaubnispflichtig sein.  Nach § 34a Abs. 1 S. 1 GewO bedarf der Erlaubnis, wer gewerbsmäßig (u.a.) Eigentum fremder Personen bewachen will. Eine Bewachung im Sinne des Gesetzes fordert aktive Obhutstätigkeit, die von Menschen ausgeführt wird. Gefordert wird weiter, dass die Tätigkeit von Aktivitäten geprägt sein muss, die von gewisser Dauer oder aber in kürzeren Abständen stattfindet und dem Schutz des Objektes dient.10 Katschke bewacht Wohnhäuser und Wohnanlagen Dritter, indem seine Mitarbeiter bei den Objekten Kontrollgäbe durchführen und dabei u.a. prüfen, ob Türen und Fenster verschlossen sind. Zudem erfolgt bei bestimmten Objekten eine Videoüberwachung. Bei Gefahrensituationen wird die Polizei eingeschaltet. Damit dient die regelmäßige Überprüfung der Anlagen, die entweder durch Vorort-Kontrollen oder per Video erfolgen, dem Schutz der jeweiligen Objekte. Da es sich, wie bereits geklärt, um eine gewerbemäßige Tätigkeit handelt, ist die von Katschke ausgeübte Bewachungstätigkeit auch erlaubnispflichtig.

Ferner muss die Ausübung des erlaubnispflichtigen Gewerbes ohne die erforderliche Erlaubnis erfolgen. Katschke ist im Jahr 2013 die Erlaubnis zur Ausübung des Bewachungsgewerbes erteilt werden. Doch könnte diese Erlaubnis zwischenzeitlich ihre Wirksamkeit eingebüßt haben. Nach § 43 Abs. 2 VwVfG verliert ein Verwaltungsakt und die Gewerbeerlaubnis ist ersichtlich ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG, seine Wirksamkeit durch Zeitablauf. Der Gewerbeerlaubnis war eine Bestimmung beigefügt worden, nach der die Vergünstigung nur für einen bestimmten Zeitraum, hier von fünf Jahren, gilt. Insoweit handelt es sich hier um eine Befristung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG. Voraussetzung dafür, dass die Erlaubnis durch Zeitablauf ihre Wirksamkeit eingebüßt hat ist, dass die Erlaubnis überhaupt Wirksamkeit erlangt hat. Die Wirksamkeit der Erlaubnis tritt mit der Bekanntgabe ein (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Der Bescheid ist seinerzeit mittels einfachem Briefes übermittelt worden. Die Aufgabe zur Post erfolgte am 23.4.2013 und damit ist nach § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG die Bekanntgabe am dritten Tage nach Aufgabe zur Post erfolgt; hier der 26.4.2013. An diesem Tage ist damit die äußere Wirksamkeit der Erlaubnis eingetreten. Unabhängig hiervon ist die Regelungswirkung aber erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten (§ 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Da im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung noch nicht allen Voraussetzungen vorlagen, war die Erlaubnis mit der Nebenbestimmung versehen worden. Es handelt sich um eine Bedingung im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, die Auswirkungen auf die Regelungswirkung hatte, da der Eintritt der Vergünstigung davon abhängig gemacht worden war, dass die beschriebene Bescheinigung der Industrie- und Handelskammer der Gewerbeaufsicht vorgelegt wird. Dies ist im 16.6.2013 erfolgt. Damit ist zu diesem Zeitpunkt nach § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG die Regelungswirkung der Erlaubnis eingetreten. Die Erlaubnis hat, ausgehend von der angeordneten Befristung im Juni 2018 ihre Wirksamkeit eingebüßt.

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9 zur materiellen Rechtmäßigkeit des VA vgl. Suckow/Weidemann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. Rn.
157 ff
10 So zutreffend Jungk in: GewO-Kommentar, 2. Auflage, § 34a Rdnr. 4 ff

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Eine andere Beurteilung wäre allenfalls dann gegeben, wenn die Befristung unwirksam gewesen wäre. Für Verwaltungsakte bestimmt dies § 43 Abs. 3 VwVfG. Diese Vorschrift ist entsprechend auf Nebenbestimmungen anwendbar.

Eine Unwirksamkeit könnte dann gegeben sein, wenn die Nebenbestimmung an einem so schweren Fehler leiden würde, der bei einem Verwaltungsakt zu einer Nichtigkeit im Sinne von § 44 Abs. 2 oder Abs. 1 VwVfG führen würde. Zu klären ist damit zunächst, ob die Beifügung der Befristung rechtswidrig war. Ein Rechtsfehler würde u.a. vorliegen, wenn es keine Rechtsgrundlage zur Beifügung der Befristung gäbe. Als Rechtsgrundlage könnte § 34a GewO in Betracht kommen. Hiernach können Auflagen zum Schutze der Allgemeinheit oder wenn dies der Auftraggeber fordert beigefügt werden. Vorliegend geht es aber nicht um eine Auflage, sondern um eine Befristung. Damit scheidet die Gewerbeordnung als Rechtsgrundlage aus. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie sicherstellen soll, dass gesetzliche Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Nach § 34a Abs. 1 Satz 2 GewO im Umkehrschluss ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn keine Versagungsgründe vorliegen. Vorliegend dient die Befristung nicht der Ausräumung von Versagungsgründen. Im Zuge des gewerberechtlichen Genehmigungsverfahrens wird gerade nicht die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens untersucht. Damit fehlt für die Befristung die erforderliche Rechtsgrundlage. Die Befristung ist somit rechtswidrig.

Dieser Rechtsfehler berührt aber nur dann die Wirksamkeit der Erlaubnis, wenn die Befristung unwirksam ist und es sich um eine trennbare Regelung zur Hauptregelung handelt. Dieser Rechtsfehler wird weder von § 44 Abs. 2 VwVfG (absolute Nichtigkeitsgründe) bzw. § 44 Abs. 3 VwVfG (sog. Nicht-Nichtigkeitsgründe) erfasst. In Betracht könnte allenfalls eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG kommen. Dann müsste die Befristung zunächst an einem besonders schweren Fehler leiden. Besonders schwerwiegend sind aber nur solche Rechtsfehler, die mit der Rechtsordnung auf keinen Fall vereinbar sind bzw.  die für die Rechtsordnung schlechthin unerträglich sind.11 Dies ist der

Fall, wenn die Regelung tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widerspricht.12 Eine einfache Rechtswidrigkeit reicht für die Annahme eines besonders schwerwiegenden Fehlers nicht aus. Die fehlende Rechtsgrundlage begründet daher noch keinen besonders schwerwiegenden Fehler.

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11 Vgl. nur Baumeister in: Obermeyer/Funke-Kaiser, VwVfG-Kommentar, 5. Aufl., § 44 Rdnr. 21 m.w.N.
12 ebenda

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Die Befristung ist damit rechtswidrig, aber nicht nichtig. Damit entfaltet die Befristung Rechtswirkungen. Folglich hat die gewerberechtliche Erlaubnis, mit Ablauf der Fünf-Jahresfrist nach § 43 Abs. 2 VwVfG, seine Wirksamkeit eingebüßt. Katschke betreibt damit sein Bewachungsgewerbe ohne die erforderliche Zulassung.

Zwischenergebnis:

Der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage ist erfüllt.

2.3.2 Rechtsfolge

§ 15 Abs. 2 Satz 1 GewO räumt der Behörde Ermessen ein. Die Ermessensausübung hat sich an § 40 VwVfG13 zu orientieren. Danach muss die Maßnahme dem Zweck der Ermächtigung entsprechen und die gesetzlichen Grenzen beachten.

Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ist es, ungenehmigte gewerberechtliche Aktivitäten zu unterbinden und so Gefahren für Dritte abzuwenden. Dieser Zweck wird mit der Untersagungsverfügung erfüllt.

Zu den gesetzlichen Grenzen gehört, dass die Behörde den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Danach muss die beabsichtige Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Geeignetheit ist ein Mittel, das den erstrebten Erfolg herbeiführen kann. In diesem Sinne tauglich ist eine Maßnahme, wenn durch sie der gewünschte Erfolg herbeigeführt, zumindest gefördert werden kann.14 Der gewünschte Erfolg ist hier, dass ein erlaubnispflichtige Gewerbe nicht mehr ohne Erlaubnis betrieben wird. Mit der Gewerbeausübung wird zugleich der Gesetzesverstoß unterbunden. Somit wird der Erfolg erreicht. Das Mittel ist also geeignet.

Erforderlich ist das Mittel, wenn von mehreren geeigneten Mitteln dasjenige eingesetzt wird,

das den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. U.U. könnte ein Bußgeld angeordnet werden, da nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f GewO ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Bewachungsgewerbe ohne die erforderliche Erlaubnis ausübt. Durch die Anordnung einer Geldbuße würde der Rechtsverstoß aber nicht unterbunden werden. Damit ist ein (gleich) geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich.15 Der Gesetzesverstoß kann nur durch das Mittel der Untersagung verhindert werden. Es gibt demnach keine gleich geeigneten, milderen Mittel. Die Untersagungsverfügung ist also erforderlich.

Das Mittel muss weiterhin angemessen sein. Das Mittel ist angemessen, wenn es nicht zu einem Nachteil führt, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Ein erkennbares Missverhältnis liegt vor, wenn die Privatinteressen des Herrn Katschke im Rahmen einer Abwägung mit den öffentlichen Interessen höher wiegen würden16 Die Interessen des Herrn Katschke liegen darin, dass er durch Ausübung des Gewerbes seinen Lebensunterhalt verdient. Zudem bringt er zum Ausdruck, dass die mehrjährige Gewerbeausübung zu keinerlei Beanstandungen geführt habe. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Gewerbeerlaubnis nur aufgrund einer rechtswidrigen Nebenbestimmung in Form der Befristung seine Wirkungen eingebüßt hat.

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13 VwVfG NVwVfG
14 BVerfGE 30,292 (316); 33 ,171 (187)
15 Die Aufforderung, einen neuen Genehmigungsantrag zu stellen, würde zudem nicht unmittelbar den rechtswidrigen Zustand beseitigen. Auch ist zu berücksichtigen, dass eine derartige Anordnung nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden könnte

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Das Interesse der Öffentlichkeit ist es, dass die Rechtsordnung eingehalten und sichergestellt wird, dass erlaubnispflichtige Gewerbe nur mit der erforderlichen Erlaubnis betrieben werden. Zudem fordert der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass vergleichbare Sachverhalte gleichbehandelt werden. Würde bei Katschke auf die die Gewerbeerlaubnis verzichtet werden, würde dies zu einer ungerechten Bevorzugung gegenüber gesetzestreuen Bürgern führen, die nur mit einer Gewerbeerlaubnis ihr Gewerbe ausüben.

Für die Untersagungsanordnung spricht, dass die Behörde gem. Art 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden ist und damit regelmäßig die Pflicht hat, die Rechtsordnung durchzusetzen. Hierzu zählt auch, dem Gleichheitsgebot zum Durchbruch zu verhelfen. Die Interessen des Herrn Katschke wären dagegen dann höherwertig, wenn auf seinen Antrag hin unmittelbar die fehlende Erlaubnis erteilt werden müsste, d.h. lediglich ein Fall der sog. formellen Illegalität vorläge. Die wäre der Fall, wenn kein Versagungsgrund nach § 34a Abs. 1 S. 3 GewO vorläge, da dann die Behörde verpflichtet wäre, die erforderliche Erlaubnis zu erteilen. Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass Katschke die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 und S. 4 GewO fehlt. Auch sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass weitere Versagungsgründe (§ 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 2 bis 4 GewO) hier vorliegen könnten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der nach § 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GewO erforderliche Nachweis von Katschke bereits 2013 vorgelegt wurde. In materieller Hinsicht wird das Gewerbe entsprechend der gesetzlichen Vorgaben ausgeübt. Ferner ist zu Gunsten von Katschke zu berücksichtigen, dass er die Gewerbeerlaubnis nur durch einen Rechtsfehler der Behörde eingebüßt hat. Der Befristung, die der Gewerbeerlaubnis beigefügt worden war, fehlte die erforderliche Rechtsgrundlage. Zwar hätte Katschke die Möglichkeit gehabt, durch Ausnutzung des Rechtsweges, die Aufhebung der Befristung zu erreichen, doch sollte ihm sein Vertrauen in das rechtmäßige Handeln einer öffentlichen Verwaltung nicht zum Nachteil gereichen. Zu Gunsten von Katschke ist zudem zu berücksichtigen, dass es bisher das Gewerbe ohne Beanstandungen ausübt. Zwar gibt es aktuell eine Ungleichbehandlung gegenüber gesetzestreuen Bürgern, die nur mit der erforderlichen Erlaubnis ihr Gewerbe ausüben, doch ist dies hinzunehmen. Der Behörde bleibt es unbenommen, auf eine erneute Antragstellung zu dringen. Die öffentlichen Belange haben damit gegenüber dem massiven Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. Art. 14 I GG) zurückzustehen. Die Schließungsanordnung wäre damit nicht angemessen und würde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen.

Zwischenergebnis

Der Verwaltungsakt ist materiell nicht rechtmäßig. Er kann daher nicht rechtsfehlerfrei erlassen werden.

3. Entscheidungsvorschlag

1. Von der Schließungsanordnung ist abzusehen.

2. Da es auf Dauer nicht hingenommen werden kann, dass Katschke sein Gewerbe ohne die erforderliche Erlaubnis betreibt, ist er auf die Notwendigkeit einer erneuten Antragstellung hinzuweisen.17

  1. Katschke ist in einem Schreiben über diese Entwicklung zu informieren.

 

Aufgabenstellung 3

Fertigung des abschließenden Schriftsatzes

Landeshauptstadt Hannover
Der Oberbürgermeister
Rathausplatz 1 * 30019 Hannover                     Hannover, 14. März 2019

 

1. Herrn                                                                                                                            Martin Katschke                                                                                                                   Humboldstraße 44                                                                                                               30018 Hannover                                        ab: 15.3.2019

 

Gewerbeausübung

Sehr geehrter Herr Katschke,

im jahr 2013 wurde Ihnen die Erlaubnis zur Ausübung des Bewachungsgewerbes erteilt. Diese Erlaubnis war mit einer Befristung versehen worden. Da zwischenzeitlich diese Zeitspanne abgelaufen ist, betreiben Sie das Bewachungsgewerbe ohne die erforderliche Erlaubnis. Zwar hat eine neuerliche Überprüfung ergeben, dass die Beifügung dieser Befristung mit der Rechtsordnung nicht im Einklang steht, doch begründet dieser Fehler nicht die Unwirksamkeit der Befristung. Im Hinblick auf diese besonderen Umstände sehe ich daher (zunächst) davon ab, das bereits eingeleitete Schließungsverfahren weiter zu verfolgen.

Gleichwohl kann es auf Dauer nicht hingenommen werden, dass Sie das Bewachungsgewerbe ohne die erforderliche gewerberechtliche Erlaubnis betreiben. Da das notwendige Genehmigungsverfahren aber nur auf Antrag durchgeführt werden kann, empfehle ich dringend, zeitnah den erforderlichen Antrag zu stellen.

Sofern es einen weiteren Informationsbedarf gibt, darf ich Sie bitten, mit mir Kontakt aufzunehmen.

Freundliche Grüße

Im Auftrage

Schl.

  1. Wvl.: 1.6.2019 (Antrag eingegangen?)

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16 zur Interessenabwägung siehe auch Suckow/Weidemann a.a.O. Rn 172

17 Das Ergebnis der Prüfung hat zwar zu dem Ergebnis geführt, das aktuell eine Schließungsanordnung nicht
angeordnet werden kann, doch verbleibt es ohne diese Anordnung bei dem rechtswidrigen zustand.

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